Allgemeines
1. Was ist die Musterfeststellungsklage?
Die Musterfeststellungsklage soll es Verbrauchern ermöglichen, ihre Ansprüche im Schadensfall gegen Unternehmen einfacher, schneller und kostengünstiger durchzusetzen. Denn selbst im Schadensfall scheuen viele Verbraucher die gerichtliche Auseinandersetzung mit dem Unternehmen aus Angst vor hohen Anwalts-und Prozesskosten.
Ist die Voraussetzung erfüllt, dass es sich um einen Massenschaden handelt, den mehr als 50 Verbraucher erlebt haben, übernehmen Verbraucherschutzverbände die Klage. Das Gericht kann dann in einem Musterverfahren grundlegende Tatsachen feststellen und Rechtsfragen klären, die später nicht mehr in jedem Einzelprozess neu geklärt werden müssen.
2. Wer kann die Musterfeststellungsklage nutzen?
Die Musterfeststellungsklage ist ausschließlich für Verbraucher gedacht. Unternehmer, die von Unternehmen in gleicher Weise wie Verbraucher geschädigt wurden und damit auch von einem Massenschaden betroffen sind, können sich nicht zur Musterklage anmelden. Sie müssen individuell klagen und können nur indirekt von der Musterfeststellungsklage profitieren.
3. Gegen wen ist eine Musterfeststellungsklage möglich?
Eine Musterfeststellungsklage kann von Verbraucherschutzverbänden gegen alle privatrechtlich handelnden Unternehmen, wie Handelsunternehmen, Warenhersteller oder Telekommunikationsdienstleister geführt werden.
Tritt der Staat als Unternehmen auf, z.B. durch Betriebe des öffentlichen Nahverkehrs, Energieversorgung oder Abfallentsorgung, kommt eine Musterfeststellungsklage ebenfalls in Betracht. Gegen staatliche Behörden, wie Polizei, Finanzamt oder Bauordnungsamt, kann keine Musterfeststellungsklage eingereicht werden.
4. In welchen Fällen ist eine Musterfeststellungsklage möglich?
Die Musterfeststellungsklage ist in allen verbraucherrechtlichen Angelegenheiten möglich. Da die Klage für Massenschäden gedacht ist, müssen allerdings mindestens 50 Verbraucher von ein und demselben Schaden betroffen sein. Die erste Musterfeststellungsklage wird vermutlich den Massenschadensfall aufgrund der Abgasmanipulation der Volkswagen AG behandeln. Musterfeststellungsklagen können z.B. auch bei unrechtmäßig erhöhten Strom- oder Gaspreisen, bei unzulässigen Kreditbearbeitungsgebühren, bei unangemessenen Mieterhöhungen oder aber bei Flugausfälle und -verspätungen erhoben werden.
5. Wer entscheidet über die Erhebung einer Musterfeststellungsklage?
Einzig und allein entscheiden die klageberechtigten Verbraucherschutzverbände bei einem Massenschaden, ob eine Musterfeststellungsklage eingereicht wird. Voraussetzung dafür ist natürlich, dass sie auf diesen Schaden aufmerksam werden und diesen für eine Klage als geeignet, d.h. aussichtsreich erachten. Verbraucher können Verbraucherschutzverbände gezielt auf ihren Schaden ansprechen und eine Klage einfordern.
6. Was ist das Ziel einer Musterfeststellungsklage?
Die Musterfeststellungsklage soll eine Art Grundlage für Verfahren desselben Schadensfalls schaffen. In diesem Verfahren werden die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für das Bestehen von Ansprüchen oder Rechtsverhältnisse der Verbraucher (sog. Feststellungsziele) geprüft. Das Gericht ermittelt in dem Verfahren den Sachverhalt und/oder entscheidet über bestimmte Rechtsfragen. Das Verfahren endet mit einem Vergleich oder einem Musterfeststellungsurteil. Auf dieser Basis kann dann jeder einzelne Verbraucher gegenüber dem beklagten Unternehmen seine individuellen Ansprüche geltend machen.
7. Welche Kosten entstehen dem Verbraucher bei der Musterfeststellungsklage?
Die Musterfeststellungsklage und das Verfahren sind für den zur Klage angemeldeten Verbraucher kostenlos.
8. Welchen Vorteil hat die Musterfeststellungsklage?
Der wesentliche Vorteil dieser Klage besteht für Verbraucher darin, dass sie im Schadensfall deutlich einfacher gegen ein Unternehmen vorgehen können. Der Verbraucher ist hierbei nicht verfahrensbeteiligt, da qualifizierte Einrichtungen die Musterfeststellungsklage gegen das Unternehmen führen. Für den Verbraucher entsteht kein Prozesskostenrisiko, kein Aufwand und kein Prozessstress. Außerdem hemmt die Anmeldung zur Musterfeststellungsklage die Verjährung der Ansprüche. Sollte die Musterfeststellungsklage für die Verbraucher nicht zum Erfolg führen, haben sie den Vorteil, kein Geld für eine aussichtslose individuelle Klage verloren zu haben. Denn die Kosten des Musterverfahrens trägt der klagende Verbraucherschutzverband.
9. Hat die Musterfeststellungsklage auch Nachteile?
Solange der Verbraucher zu einer Musterfeststellungsklage im Klageregister angemeldet ist und das Verfahren noch läuft, kann er nicht zusätzlich eine Individualklage gegen das Unternehmen einreichen. Zudem müssen sich Geschädigte darüber im Klaren sein, dass mit der Musterfeststellungsklage „nur“ grundlegende Tatsachen und Rechtsfragen geklärt werden. Wie hoch z.B. eine Schadensersatzzahlung oder auch eine Rückerstattung ist, wird im Musterfeststellungsverfahren für den Verbraucher nicht geklärt. Je nach Ausgang des Verfahrens muss der Verbraucher noch einmal individuell auf Leistung gegen das Unternehmen klagen.
10. Kann ich als Verbraucher individuell klagen, wenn bereits eine Musterfeststellungsklage läuft?
Ja, solange sich der klagende Verbraucher nicht im Klageregister für eine Musterfeststellungsklage angemeldet hat, die einen ähnlichen Schadensfall bearbeitet. Jedem Verbraucher steht es frei, seine Ansprüche oder Rechtsverhältnisse in einem eigenen Verfahren individuell außergerichtlich oder gerichtlich geltend zu machen.